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Influencer.. Beruf oder Krankheit?


Ich mache die Sache hier jetzt sicher schon 10 Jahre, angefangen in der 7. Klasse mit klassischen Tumblr Bildern und "Bloggern" mit gerade mal um die tausend Follower. Damals hatte Chiara Ferragni einen kleinen Blog mit Street Style Bildern und hat nebenbei noch studiert. Heute ist sie die bekannteste, vermeintlich reichste Bloggerin der Welt und kann sich dank 16 Millionen Followern als Unternehmerin und Girlboss mit Häusern in Mailand und L.A. bezeichnen. Damit lebt sie eine neue Form des Promi-Daseins mit Frontrow-Plätzen und Jetset-Life, ist auf allen Cover der Welt zu sehen und macht Werbe-Shoots für die luxuriösesten Marken der Welt. 

Sie hat es eben geschafft. Mit ihr wurde ein neues Berufsfeld geboren, bestehend aus dem Beruf als "Blogger" oder "Influencer" und etlichen Agenturen und Menschen, die sich immer mehr um Social Media-, Content- und Influencer-Marketing bemühen. Ein neues Berufsfeld, das ganz neue Möglichkeiten bietet und gleichzeitig unseren Umgang mit den sozialen Medien verändert. 

Jetzt hört sich das ganze erstmal toll an, denn wir könnten ja jetzt alle mit unserem Instagram-Account loslegen und das ganz große Geld verdienen. Zum Einen stimmt es sogar, denn wenn man richtig viel Mühe, Liebe und Energie investiert, kann man heute wirklich viel erreichen und sich ein schönes Taschengeld dazu verdienen. Doch zum Anderen passiert dann genau das, was sich derzeit mehr und mehr bei Instagram abspielt: Da draußen tummeln sich eine Horde süßer Instagram-Girls, die auf ihrem Kanal eine Art RTL2-Show abziehen. Diese haben zwar auch jede Menge Follower und sicherlich haben sie sich diese auch hart "erarbeitet", aber diese Menschen zeigen sich und ihr Leben in einer Daily Soap vom Aufstehen bis zum Schlafen gehen und unterhalten Menschen auf der anderen Seite des Screens mit alltäglichen Dingen. Es gibt eben nicht nur große, inspirierende Blogger, die wirklich qualitativ hochwertigen Content für Marken produzieren und dabei an Reisen und ihrem Erfolg teilhaben lassen. Nein, diese Art von "Blogger" integrieren Produkte in ihren Tag und werden dafür bezahlt, Gewürze beim Kochen und Cremes beim "Get ready with me" zu zeigen. Ob es nun eine Küchenmaschine, ein Putzmittel oder bloß die Mascara ist, ist mittlerweile sogar egal, denn wir werden durch ihre unfassbare "Nahbarkeit" und ihre (Vorsicht Buzzword) "Authentizität" beeinflusst. Diese Menschen schaffen es, ihren Alltag, ihre Lieblingsprodukte und ihre Lebensweise in unseren Köpfen zu verankern, sodass wir nachhaltig und unterbewusst konsumieren, wie wir es sonst aus der TV-Werbung kennen. Man sollte meinen, wir haben mittlerweile verstanden, wie Werbung funktioniert, aber nein, Instagram ist "echt" und "authentisch", denn hier kauft man ja nur, weil "Sie" davon geschwärmt hat, wie toll ihre Haut nach der Anwendung der Creme war. 

Versteht mich nicht falsch, ich folge auch einigen Mädels auf Instagram, die genau das tun. Ich lasse mich ganz regelmäßig beeinflussen und kaufe Dinge nach, die ich bei meiner "Lieblingsbloggerin" sehe. Damals wollten wir so sein wie Britney Spears, heute wie Xenia Overdose. Und dennoch komme ich immer mehr an den Punkt, an dem ich mir Abstand zu dieser Plattform wünsche. Denn auch wenn ich diese Alltags-Blogger immer mehr versuche zu meiden, holt es mich immer wieder ein und plötzlich ist der Daily Struggle dieser Menschen wieder interessant. So wie man eben doch ab und an RTL2 schaut, gerät man in den "Guten Morgen ihr Lieben"-Wahn und zieht sich in der Bahn die Stories rein. Auf meiner Seite ist es vielleicht ein netter Zeitvertreib sich das alles anzusehen und Menschen und deren Zuhause virtuell zu kennen und vielleicht sogar zu wissen, welche Unterwäsche sie tragen. Aber jede Sekunde seines Lebens preisgeben zu wollen, kann ja irgendwie nicht normal sein. Schöne Dinge zu teilen und sich Feedback einzuholen ja, aber der ständige Drang nach Aufmerksamkeit, Präsenz und Bestätigung - ist das noch gesund?

Ob diese Menschen versuchen ihre Unsicherheit zu kompensieren sei mal dahin gestellt, darüber kann man sicherlich diskutieren und es wird auch nicht bei jedem der Fall sein. Aber viel schlimmer ist die Tatsache, dass bereits Mädchen im Teenager-Alter ein Leben verfolgen, das nicht das Eigene ist. Das Wort "Influencer" bekommt in diesem Zusammenhang eine ganz wichtige Bedeutung, denn innerhalb ihrer Entwicklung werden junge Mädchen von Frauen beeinflusst, die sich falsche Wimpern machen lassen, wöchentlich den Friseur besuchen und ab und an mal Hyaloron spritzen. Auf Instagram ist das Leben eben easy und voller Avocado-Brote, in real life geht man aber in die Schule, in die Uni, zur Arbeit. Da sieht man nicht jeden Tag toll aus, man läuft auch in Jogginghose rum, ist ungeschminkt, hat Pickel und kaputte Haare. Man weint sogar ab und an und ist sicher ganz oft traurig, verletzt und enttäuscht. Aber es gibt auch Momente, echte Momente wo man lacht, herzlich lacht und einfach nur absolut glücklich ist, alleine mit sich oder mit Menschen, Freunden und Familie - ganz ohne Handy in der Hand, ganz ohne Story und "Paris"-Filter.  

Bevor das ganze hier wieder ausartet, möchte ich noch erklären wie ich zu diesem Thema komme und ich wie ich selbst zum Bloggen stehe. Denn irgendwie habe ich auch einen Instagram-Account, schieße vor pinken "instagramable" Türen Bilder und fotografiere mein Avocado-Brot bevor ich es esse. Ich habe ja sogar einen Blog, wo ich der Welt meine Meinung aufdrücke und glaubt mir, ich liebe es vorm Schlafen gehen Bilder zu bearbeiten und mich von anderen Bloggern inspirieren zu lassen. Aber seit ich mich vor ca. zwei Jahren intensiv mit diesem Thema und diesen Menschen auseinander gesetzt habe, durfte ich feststellen, dass ich einfach nicht für diese Welt gemacht bin. Ich freue mich natürlich über jeden Follower mehr und über positives Feedback sowieso, ich werde auch sicherlich nicht damit aufhören, denn es bereitet mir großen Spaß und lässt mich meine kreative Ader ausleben. Ich würde sogar behaupten, dass mich diese Welt fasziniert und ich sehr gespannt bin, wie sich alles entwickeln wird. Ich finde auch, dass man vor einigen wenigen Bloggern den Hut ziehen kann. Viele davon sind kreativ, inspirierend, intelligent und haben sich dieses Leben hart erarbeitet. Aber ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr zu sehr von diesem Alltags-Content beeinflussen zu lassen und mich viel mehr auf meinen eigenen Alltag, meine eigene Meinung und auf die Menschen zu konzentrieren, die einem unbezahlt und ehrlich erzählen, ob die Creme gut ist oder nicht. Deswegen klappe ich jetzt den Laptop zu und wünsche euch ein schönes Wochenende, ganz ohne RTL2!

Eure Genny






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